KREIS STEINFURT/ EMSDETTEN. Es war kein leichtes Thema, dem sich am Mittwochabend die rund 300 Teilnehmer der kreisweiten palliativmedizinischen Fortbildung in Stroetmanns Fabrik in Emsdetten widmeten. "Palliative Sedierung" hatte der Arbeitskreis Palliativmedizin am Hospiz "haus hannah" seine Veranstaltung überschrieben. Im Mittelpunkt stand die Frage, unter welchen Vorzeichen die medikamentöse Ruhigstellung in der Behandlung schwerstkranker und sterbender Menschen zum Einsatz kommen sollte. Dass die Sedierung für Patienten neue Lebensqualität bedeuten kann, führte der Referent des Tages, Professor Dr. Friedemann Nauck, eindrucksvoll und einfühlsam vor Augen.
Der Direktor der Klinik für Palliativmedizin der Georg-August-Universität Göttingen erwies sich als hochkarätiger Fachmann und ausgewiesener Menschenfreund, der schwerstkranken und sterbenden Menschen und deren Angehörigen mit viel Empathie begegnet. Zum elften Mal hatte der Arbeitskreis mit Vertretern des Hospizes "haus hannah", des Caritasverbandes Emsdetten-Greven, sowie des Palliativmedizinischen Konsiliar-Dienstes (PKD) Mediziner, Pflegekräfte und Aktive der Hospizarbeit zum Austausch eingeladen. Dass die Veranstaltung in der Fachszene ein echter Selbstläufer ist, betonte Birgit Wältring, stellvertretende Leiterin des Emsdettener Hospizes, in ihrer Begrüßung. Sie nutzte den Abend, um den neuen Hospiz- und Pflegedienstleiter von "haus hannah", Michael Kreft, vorzustellen.
Professor Dr. Friedemann Nauck orientierte sich in seinem Vortrag an den Methoden und Leitlinien der Europäischen Vereinigung für Palliativmedizin für den Einsatz sedierender Medikamente. Er betonte: "Sedierung bedeutet eine große Verantwortung und erfordert einen respektvollen Umgang mit dem sedierten Menschen." Die Leitlinien könnten Medizinern und Pflegefachpersonal eine Orientierungshilfe bieten, ohne dass sie wie ein streng regulierendes Handbuch gelten. Vor dem Hintergrund, dass Sedierung auch Verkürzung von Lebenszeit bedeuten könne, laste eine große Verantwortung auf den behandelnden Ärzten.
Das Spektrum der Sedierung erstreckt sich von der Verminderung bis zur vollständigen Aufhebung der Bewusstheit. Dementsprechend gibt es viele Anwendungsgebiete. Zum Beispiel könne Sedierung dem Patienten vorübergehend Erholung verschaffen, bei der Entwöhnung von Beatmung helfen oder auch beim Überwinden existenzieller Krisen. In der beruflichen Praxis fänden sich oftmals sowohl unüberlegte Anwendungen von sedierenden Maßnahmen als auch ebenso unüberlegte Vorenthaltungen derselben.
Die Leitlinien der Europäischen Vereinigung für Palliativmedizin empfehlen unter anderem eine frühzeitige und ausführliche Information des Patienten und der Angehörigen über das Spektrum sedierender Maßnahmen. Hilfreich sei es, wenn ein klar formuliertes Einverständnis vorliege. Auch die Methode der Sedierung müsse wohl überlegt und Patient und Angehörigen ausreichend erläutert werden. Mediziner müssten klären, wer konkret die Sedierung überwache und die Dosis der Medikamente kontrolliere. Die Frage von Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme während der Sedierung müsse ebenso im Vorfeld geklärt werden wie die Information des gesamten medizinischen Personals. "Seien Sie sensibel, auch gegenüber den Angehörigen", mahnte der Referent seine Berufskollegen. Sie sollten sich immer wieder vor Augen führen, wer die Sedierung wünsche und welche Motive eine Rolle spielten.
Eindrucksvoll untermauerte Professor Dr. Friedemann Nauck seine Ausführungen mit Fällen aus seiner beruflichen Praxis, wie den des neunjährigen Jungen, der seine Sterbestunde unbedingt bewusst erfahren wollte. Oder den des älteren Mannes, der um eine vorübergehende Sedierung bat, bis die Bestrahlungstherapie ihre Wirkung zeigte. Der Referent unterstrich, wie bedeutsam der Aspekt von Fürsorge und Zuwendung gerade in der palliativmedizinischen Begleitung sei: "Andere Maßnahmen machen eine Sedierung oft überflüssig: ein funktionierendes Team, das sich um den Patienten kümmert, das Gefühl, gut aufgehoben zu sein und Zuwendung erübrigen sehr viel Chemie und Technik."
Mit Professor Dr. Friedemann Nauck (4.v.l.) hatten die Mitglieder des Initiativ-Arbeitskreises Palliativmedizin einen hochkarätigen Referenten eingeladen: (v.l.) Dr. Cüneyt Bilecen, Ansgar Kaul (Caritasverband), Birgit Wältring ("haus hannah"), Dr. Dieter Scholtyssek, Michael Kreft ("haus hannah") und Dr. Joachim Kamp.