Darauf nimmt der Meister Platz, steckt den Stachel seines Cellos in das dafür gebohrte Loch, schließt die Augen und taucht das Kirchenschiff „Marys“ in ein wohltemperiertes Schaumbad für die Seele. Obwohl es, nüchtern betrachtet, saukalt war, was einen Konzertbesucher zu seinem Nachbarn wispern ließ: „Passt ja gut, sein Verein heißt doch Gemeinsam gegen Kälte . . .“
Für den und für die Emsdettener, Grevener, Saerbecker und Reckenfelder Tafel spielte der weltweit gefeierte Cellist in der nicht ganz gefüllten Kirche ein Konzert, das nicht die klammen Finger, wohl aber die Herzen der tief berührten Zuhörer erwärmte.
Auch wenn der Düsseldorfer anfangs mit dem Bogen und dem Funkmikro haderte – wie kaum ein anderer lässt er sein Cello (das passender weise „Il Mendicante“ – der Bettler heißt) in allen Tönen und Stimmungslagen singen: zart oder zaghaft, schmachtend oder schmollend, dezent oder donnernd. Nach den ersten melancholisch hingehauchten Appetithäppchen servierte Beckmann gleich eine ordentliche Portion Vivaldi (dessen Berühmtheit im kollektiven Bewusstsein ja lächerlicherweise auf die Vier Jahreszeiten reduziert wird).
Dann erzählte er von Pablo Casals, der 1961 ebendiese Vivaldi-Sonate im Weißen Haus gespielt hatte, um Kennedy dazu zu bewegen, gegen den spanischen Diktator Franco aufzustehen. „Trotz des heldenhaften Themas leider erfolglos“, seufzt Thomas Beckmann und kündigt für den zweiten Teil des Konzerts kleine Kostbarkeiten aus dem 19. und 20. Jahrhunderts an.
„Ausgefallen“ und „besonders“ hätte er noch sagen können, denn wer hatte schon mal einen leichtfüßigenWiener Walzer von Charlie Chaplin im Ohr, ein süßes Liebeslied von Fritz Kreisler (das ist der andere Wiener,Taubenvergifter Georg war mit dem nur weitläufig verwandt)? Heiter ging es weiter mit dem unverwüstlichen Luigi Boccherini. „Der muss gespielt haben wie ein Engel“, sagte Thomas Beckmann, stimmte dann aber ein Rondo an und nicht den Boccherini-Gassenhauer „Anneliese komm, wir woll ins Kino gehn . . .“).
Ein Cello-Konzert ohne Bach? Eigentlich undenkbar. Und Thomas Beckmanns verstorbener Mutter sei Dank, dass die allerletzte Zugabe ein supersanft gestrichener Johann Sebastian zum Niederknieen war: „Bachs Arioso – das hat meine Mutter so geliebt.“ (Die Beatles übrigens auch, die sich von den fünf Anfangsnoten zu ihrem Welthit „Hey Jude“ inspirieren ließen.)
Wenn Thomas Beckmann Cello spielt, beschwört er Schmerz und Schmelz herauf, vereinigt Hörgenuss und Mitgefühl, bringt das soziale Gewissen der Menschen zum Klingen und macht die Welt damit ein bisschen wärmer.