Die Saerbecker Tafel wird in diesem Jahr zehn - ein Grund zum Feiern? Da kommt Herbert Breidenbach das "Ja" nur zögerlich über die Lippen. Denn der neue Leiter der Caritas-Einrichtung weiß natürlich um das gesellschaftliche Paradox, das der Soziologe und Armutsforscher Stefan Selke in zwei Sätzen beschreibt: "Das eigentliche Ziel der Tafeln müsste ihre Selbstabschaffung sein. Wenn sie verschwinden, bedeutet das, dass gleichzeitig der Grund für ihre Existenz verschwindet."
Aber zuerst ist es natürlich sinnvoll, Lebensmittel vor dem sinnlosen Abfalltod zu bewahren, um es denen zu geben, deren Rente, Hartz IV oder die staatliche Stütze nicht zum Leben reicht - eigentlich ein Skandal, dass im superreichen Deutschland Menschen für ihr tägliches Brot auf Almosen angewiesen sind und lediglich die Brösel der Überflussgesellschaft in ihre Einkaufstaschen packen. </p><p>In seinem ersten Leben, wenn man es so flapsig formulieren darf, war Werner Breidenbach Lehrer an der Förderschule in Mettingen. Der gebürtige Aachener kam über Köln und Münster schließlich nach Saerbeck, wo er 15 Jahre lang für die Grünen im Gemeinderat saß. Jetzt ist er passiver Altersteilzeiter - und Leiter der Tafel. "Doch", räumt er ein, "ich habe schon eine Weile überlegen müssen, ob ich die Arbeit hier weiterführe, die Monika Röhrkohl in so hervorragender Weise geleistet hat."
Er hat ein nach wie vor hoch motiviertes ehrenamtliches Team übernommen und, wieder so dahergesagt, einen Laden, der läuft. Laufen muss, denn etwa 120 Menschen gehören zum erweiterten Kundenkreis der Saerbecker Tafel. Die im Dorf großes Ansehen genießt, was sich nicht zuletzt in der ungebrochenen Spendenbereitschaft der Saerbecker zeigt. Ob es egal ist, ob es sich um Geld- oder Lebensmittelspenden handelt? "Nun", klärt Herbert Breidenbach auf, "Geld fließt in die Kasse der Caritas, Lebensmittel bleiben hier; haltbare und gesunde Lebensmittel, gerne auch Tee, können wir immer gut gebrauchen."
Und wie das mit neuen Besen ist; auch Herbert Breidenbach kehrt gut und hat eine bescheidene, aber vielleicht auch wegweisende Vision: "Etliche unserer Kunden sind Flüchtlinge", erklärt er, "und die wissen nicht unbedingt, was man mit Kohlrabi oder Wirsing anfangen kann; da wäre es doch schön und hilfreich, vielleicht mal einen Kochkurs anzubieten."
Noch einmal Stefan Selke: "So segensreich die Tafel ist als Brücke zwischen Armut und Übermaß, so sehr verwundert es, dass die verantwortlichen Politiker nicht vor Scham im Boden versinken, sondern loben, Schultern klopfen und sich mit den Helfern fotografieren lassen, die die Brösel verteilen."