EMSDETTEN/GREVEN/SAERBECK. Es gab eine Zeit im Leben von Huguette Sonna (26), da hätte ihr nur noch eine gute Fee helfen können. Als sie ihr erstes Kind erwartete, gelangte sie als Flüchtling von der Elfenbeinküste nach Deutschland. Mutterseelenallein, mit nichts in der Tasche und keinerlei Deutschkenntnissen. Zugegeben - eine Fee ist Ursula Kasten nicht. Aber für Huguette Sonna wurde die 76-Jährige zu einer FEE. Die drei Großbuchstaben stehen für den Fachdienst "Freiwilliges Engagement für Eltern" des Caritasverbandes Emsdetten-Greven. In dem Projekt unterstützen ehrenamtliche Frauen und Männer als Paten Familien mit kleinen Kindern bei der Bewältigung des Alltags, der mit Kindern nicht nur schön, sondern auch anstrengend und belastend sein kann. In diesem Sommer möchte der Caritasverband weitere Ehrenamtliche für einen Einsatz als Familienpate schulen.
Seit einem Dreivierteljahr schaut Ursula Kasten regelmäßig bei Huguette Sonna und ihren Töchtern Gabriella (2) und Rodia (fünf Monate) vorbei. Sie fährt mit der kleinen Familie zur Tafel, wo sie sich mit Lebensmitteln versorgt, begleitet sie bei Behördengängen und löst so manches Problem. "Das sind eher so alltagspraktische Dinge", erklärt die pensionierte Lehrerin, die auch aufgrund ihrer guten Französischkenntnisse zu Familie Sonna kam. "Ich kümmere mich zum Beispiel um Spenden wie ein gebrauchtes Kinderbett oder Kindernahrung. Oder ich habe den Kontakt zu einer Spielgruppe hergestellt, wo Gabriella ab Sommer ein paar Stunden die Woche untergebracht sein wird", so Ursula Kasten, die sich seit knapp acht Jahren beim Freiwilligen Engagement für Eltern einsetzt.
Dabei geht ihr Blick nach vorn: In der Regel nämlich dauert ein Einsatz in einer Familie ein Jahr. "Es soll den Familien die nötige Entlastung bringen und eine Hilfe zur Selbsthilfe sein. Der Einsatz soll dazu beitragen, dass die Familien langfristig ihren Alltag wieder alleine meistern können", sagt Saskia Gellinek, Koordinatorin von FEE. Das Angebot richtet sich an Familien oder Alleinerziehende mit Kindern unter drei Jahren. Es steht allen Eltern offen, die Entlastung im Alltag benötigen. "Es ist ein präventiver Ansatz im Rahmen der Frühen Hilfen: Ein ehrenamtlicher Pate unterstützt die Familie, damit es gar nicht erst zu einer ernsteren Problemlage kommt", betont Saskia Gellinek. Die Hilfe werde auf gleicher Augenhöhe geleistet. "Es ist ein Unterschied, ob ein ehrenamtlicher Pate hilft oder ein Profi. Die Hilfe kann besser angenommen werden", so die Diplom-Sozialpädagogin und -Sozialarbeiterin.
Was Huguette Sonna in der Zeit mit "Mrs. Ulla", wie sie ihre Patin liebevoll nennt, gelernt hat? "Viele Dinge. Es gibt enorme kulturelle Unterschiede zwischen der Elfenbeinküste und Deutschland. Und sie hilft mir beim Deutschlernen", sagt die junge Mutter. Besuche beim Kinderarzt, Spielgruppe und Kita - all diese Dinge habe sie dank Ursula Kasten kennengelernt. Dabei habe die Patin ihr so viel gegeben. "Mrs. Ulla hat aus mir einen anderen Menschen gemacht. Ich hatte vor einem Jahr so viel Angst, so viel Stress", schaut Huguette Sonna zurück. "Jetzt bin ich ganz anders, auch im Umgang mit meinen Kindern."
Das liegt nicht zuletzt an den Kontakten, die die Patin hergestellt hat. "Kontaktarmut ist bei vielen jungen Familien ein Problem, nicht nur bei Menschen mit Migrationshintergrund", sagt Saskia Gellinek. Oft fehlten Großeltern in der Nähe oder Verwandte oder Freunde, die unterstützen können.
Wie wichtig es aber auch als Familienpatin ist, einmal "Nein" zu sagen, weiß auch Ursula Kasten. "Abstand zu halten, auch emotional, ist manchmal gar nicht so einfach", sagt sie. Dennoch möchte sie ihre Tätigkeit als Ehrenamtliche nicht missen. "Ohne meinen Einsatz hätte ich so viele Menschen niemals kennengelernt: die Familien, aber auch andere Ehrenamtliche", ist sie überzeugt.
In diesem Sommer startet der Caritasverband Emsdetten-Greven einen Einführungskursus für weitere interessierte ehrenamtliche Paten. Denn die Nachfrage nach Familienpaten ist groß und das FEE-Team braucht stets Nachwuchs. Nach einer Auftaktveranstaltung am Samstag, 12. Juli, sind fünf weitere Termine an Mittwochabenden geplant. "Themen im Kursus sind zum Beispiel Kommunikation, entwicklungspsychologische Aspekte bis zum dritten Lebensjahr, das Kennenlernen des Caritasverbandes und der anderen Teilnehmer", so Saskia Gellinek. Aber auch Fragen der Selbstreflektion und der Abgrenzung von den betreuten Familien sind Themen. Während ihres Einsatzes werden alle Paten und Familien von der Projektkoordinatorin fachlich begleitet.
Information und Anmeldung zum Vorbereitungskursus bei Saskia Gellinek, Telefon 02572/ 157-39, oder gellinek@caritas-emsdetten-greven.de
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