Trennung, Mietverzug oder Eigenbedarf: Von einem Tag auf den anderen kann die Wohnung weg sein, erklärt Michael Winkler. Er kümmert sich beim Caritasverband um Wohnungs- und Obdachlose. In Greven ist die Zahl der Menschen ohne eigene Wohnung zwar zurückgegangen. Die Chancen, eine neue zu bekommen, sind aber extrem gering, weiß der Experte.
Wie viele Menschen "auf der Straße" leben - also obdachlos sind - darüber gibt es in Greven keine Erfassung. Über die Zahlen an Wohnungslosen hingegen wird etwa alle drei Monate im Sozialausschuss berichtet, teilt die Stadt auf Anfrage unserer Redaktion mit. "Es werden von uns diejenigen Personen zahlenmäßig erfasst, die sich an uns wenden und darum bitten, in einer städtischen Unterkunft untergebracht zu werden, weil sie ihre Wohnung absehbar verlieren oder schon verloren haben", so die Stadt.
Seit 2022 verzeichnete die Stadt im Durchschnitt 70 wohnungslose Menschen. Anfang 2025 erreichte die Zahl der Wohnungslosen den bislang niedrigsten Stand - 53 Menschen, darunter vier Familien. Seit 2024 bewege sich die Zahl konstant im 50er-Bereich.
Noch 2023 lag der Stand bei 92 Menschen. Michael Winkler mutmaßt, dass die gesunkenen Zahlen unter anderem mit stärkeren Bemühungen seitens des LWL zusammenhängen, sogenannte Housing-First-Projekte zu fördern. Heißt: Privatpersonen oder Organisationen der Wohlfahrt stellen eine Wohnung zur Verfügung, der LWL fördert die Renovierung und sichert eventuelle Vermieterrisiken mit ab. Miete zahlt die Bewohnerin oder der Bewohner - durch Sozialleistungen oder eigenes Einkommen.
Wohnungslosigkeit könne jeden treffen, erklärt Winkler. Häufige Ursache: Die Trennung von einem Partner oder einer Partnerin. "Wenn die Beziehung in die Brüche geht, zieht in er Regel einer von beiden aus, manchmal ist das schon im Mietvertrag festgelegt." Oder der Vermieter kündigt Eigenbedarf an. Mieterinnen und Mieter hätten dann zwar eine Frist, "aber der Tag wird kommen."
Sofern Menschen noch bei Familie, Freunden oder in einer Notunterkunft leben, gelten sie als wohnungslos. "Obdachlosigkeit ist die Zuspitzung", so Winkler. Dazu kann es kommen, wenn Menschen zum Beispiel eine Räumungsklage bekommen, etwa wegen fehlender Mietzahlungen oder bei Verstößen gegen geltende Hausregeln. "Über eine Räumungsklage werden Betroffene von der Stadt informiert."
Ein hoher Prozentsatz melde sich nicht auf die Benachrichtigung zurück. Psychische Ausnahmezustände, Isolation oder Vermüllung der Wohnung können Gründe sein. Auch nach einem längeren Klinikaufenthalt - etwa wenn das Elternhaus nicht mehr bereit ist, Menschen wieder aufzunehmen - besteht die Gefahr, dass sie in persönlichen und gesundheitlichen Ausnahmesituationen "auf der Straße landen". Ein Bruchteil der Betroffenen habe sich selbst für die Obdachlosigkeit entschieden, so Winkler. Die überwiegende Mehrheit hingegen sei nicht imstande, Hilfsangebote anzunehmen.
"In der Regel ist es so, dass die Menschen aus einem bisher funktionierenden System fallen, das aus irgendwelchen Gründen nicht mehr funktioniert", sagt Winkler. Von Seiten der Caritas kann er im begrenzten Rahmen unterstützen - je nachdem, wie viel Unterstützung gewollt ist. So bietet er zum Beispiel Coachings für Bewerbungen und Wohnungsbesichtigungen an, weiß aber auch, dass Besitzer oft schon bei Bewerbungen Vorurteile haben, wenn kein Wohnsitz oder der Bezug von Sozialleistungen bekannt ist.
Armut, Überbelastung, steigende Mieten - noch über all dem stehe das Problem mangelnden Wohnraums. Wohnungen würden lieber privat verkauft, als sie für den sozialen Raum anzubieten.
Und wie stehen die Chancen, einen Menschen von der Straße in ein festes Wohnverhältnis zu bringen? "Aus Sicht der Betroffenen: schlecht", heißt das nüchterne Fazit des Experten. Seit drei Jahren betreue er das Projekt "Endlich ein Zuhause". Nicht einmal habe er erlebt, dass ein Obdachloser wieder in einer eigenen Wohnung untergekommen ist. Dabei sei Wohnen ein Menschenrecht - oder sollte es nach Winklers Sicht zumindest sein.
Menschen, die von Wohnungslosigkeit bedroht sind, können sich für Beratung und Vermittlungsangebote an die Caritas Greven-Emsdetten wenden. Das Angebot von Notschlafstellen befinde sich in Greven noch in Vorbereitung. "Wichtig ist, dass die Wohlfahrt auch weiterhin die Mittel erhält, bestmöglich drohenden Wohnungsverlust zu verhindern. Das ist letztendlich wie beim Zahnarzt: Prävention ist besser und viel günstiger als spätere Sanierung. Aktuell ist das Projekt bis 2027 noch aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und über den Kreis Steinfurt finanziert. Mit Auslaufen dieser Förderung wird hier aber ein Bedarf auch auf die Kommunen zukommen, der sich aber schon kurzfristig für diese rechnet." Alternativ können sich von Wohnungslosigkeit Bedrohte an Wohnungseigentümer oder Genossenschaften wenden. Bei der Caritas sei eine Liste mit Angeboten einsehbar.
Quelle: Emsdettener Volkszeitung
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Lena Unterhalt