EMSDETTEN. Günter Melnik und Reinhard Göbel rücken einen schweren Teppich zurecht. Mit Handzeichen signalisieren sie, wie das gute Stück im Eingangsbereich des ehemaligen Expert-Mediaparks an der Kirchstraße 18 in Emsdetten liegen soll. Reinhard Göbel ist gehörlos. Er gehört zum Team von Mitarbeitern und Klienten des Caritasverbandes Emsdetten-Greven, die in diesen Tagen unzählige Möbel und Einrichtungsgegenstände rücken für ein Provisorium: Am Montag, 23. Juni, um 11 Uhr eröffnet die Pop-Up-Bar des Caritasverbandes in der leerstehenden Immobilie. Zwei Wochen lang ist die ganze Stadt zur täglichen Suppenküche und unterschiedlichsten Veranstaltungen eingeladen. Bis aber im ehemaligen Elektromarkt Café-Atmosphäre herrscht, gibt es viel zu tun.
Ab und an bleiben Passanten vor dem Schaufenster stehen und beobachten das Treiben. "Was wird das denn?", fragt ein älterer Herr und entziffert die großen gelben Lettern auf der Scheibe, die von der Caritas-Pop-Up-Bar künden. Der Lastwagen des KadeCa, des sozialen Kaufhauses der Caritas, hat vor der Tür Halt gemacht. Caritas-Mitarbeiter Andreas Röhring leitet seine Gruppe an, Esszimmertisch und -stühle sowie einen imposanten Billardtisch an Ort und Stelle zu verfrachten. Auf drei Ebenen verteilt sich das Geschehen. Überall soll es am Ende Sitzgelegenheiten, Tische und die passende Deko geben.
In dem lebhaften Gewusel macht Tobias Wichmann trotz der kurzen verbleibenden Zeit bis zur Eröffnung der Pop-Up-Bar einen entspannten Eindruck. "Das ist ja das Schöne an einer Pop-Up-Bar: Es muss nicht perfekt sein", sagt der stellvertretende Leiter des Caritas-Fachbereichs Hilfen für suchtkranke und psychisch kranke Menschen. Als Leiter des Sozialkaufhauses KadeCa und des Bereiches Arbeit und Beschäftigung trägt Wichmann die Verantwortung für den Auf- und Abbau der Pop-Up-Bar. "Sämtliche Möbel und Dekorationsartikel, die hier am Ende zu sehen sind, sind Spenden von Emsdettener Bürgern", sagt Wichmann. Eigentlich werden sie im KadeCa am Spatzenweg an Geringverdiener und Bedürftige verkauft. Ausgewählte Stücke sorgen nun für die passende Einrichtung der Pop-Up-Bar. Der Clou: Wenn die Bar in zwei Wochen ihre Türen schließt, beginnt der große Ausverkauf. Am Montag, 7. Juli, werden alle Waren von 10 bis 12 Uhr an Selbstabholer verkauft. "Ausgegeben werden die Waren ausschließlich an Geringverdiener, nicht aber an Händler und Wiederverkäufer", betont Wichmann.
Caritas-IT-Fachmann Jörg Starp hat derweil Erfolge zu verkünden: Die Beamer-Übertragung auf die Leinwand funktioniert, Zusammenschnitte der Fußballspiele des Vorabends sind zu sehen - und zu hören. Und das sogar für hörgeschädigte Menschen. Denn Jörg Starp hat sogenannte Induktionsschleifen in die Verkabelung eingearbeitet. Sie verstärken die akustischen Signale, so dass Nutzer von technischen Hörhilfen dem Geschehen auf der Leinwand auch akustisch folgen können. Am Donnerstag, 26. Juni, lädt der Caritasverband zum Spiel Deutschland gegen die USA zum Public Viewing in die Bar. Doch auch Fußball-Muffel kommen in den kommenden zwei Wochen auf ihre Kosten: Vorträge für Eltern von Heranwachsenden, Babybrei-Kochen für junge Eltern, Volkslieder zum Mitsingen, Informationen zu Gesundheitsfragen, Kochen nach Rezepten der Bibel, Flohmarkt rund ums Kind, Bücher- und Trödelmärkte, Familienbrunch, Gebärdenkursus sowie eine Schnupperprobe des Gebärdenchores, Theaterworkshop für Kinder und vieles mehr - im Programm steckt das pralle Leben.
Gerade einmal acht Tage haben Tobias Wichmann sowie die Anleiter der verschiedenen Teams, Andreas Röhring, Günter Melnik und Thomas Viefhues, Zeit, aus dem einstigen Mediapark eine Bar zu machen. "Von der Technik her bietet ein ehemaliger Elektromarkt natürlich alle Vorzüge", lobt Wichmann die Immobilie. Die Verkabelung für Licht und Technik ist kein Problem. Die Kehrseite: "In der Kinderspielecke mussten wir natürlich sämtliche Steckdosen unschädlich machen", so Wichmann. Auch im Sanitärbereich wurde nachgebessert. Für die Theke wurden eine Wasserzuleitung und Abwassertechnik installiert. Außerdem bauten die Helfer eine kleine Küche mit Spülmaschine ein. Sämtliche Arbeiten werden von Caritas-Mitarbeitern und Ehrenamtlichen sowie betreuten Klienten verrichtet. "Die Menschen fühlen sich sehr angesprochen: Die Pop-Up-Bar ist ihr Ding", weiß Wichmann. Die Erfahrungen vom vergangenen Jahr hätten gezeigt, dass auch viele Klienten gern die Pop-Up-Bar besucht und zum Beispiel den täglichen Mittagstisch genutzt hätten.
Der schwere Billardtisch hat auf der unteren Ebene des Marktes seinen Platz gefunden. Derweil warten kleine und große Kunstwerke noch auf das richtige Arrangement. Während der gesamten Öffnungszeit der Pop-Up-Bar zeigt der Caritasverband eine Ausstellung mit Arbeiten von Schülern der Geschwister-Scholl-Realschule aus Emsdetten. Unter Leitung von Hubertus Jelkmann haben sie sich anlässlich der kreisweiten Aktionstage "Sucht hat immer eine Geschichte" dem Kunstprojekt "Um-Sucht" gewidmet. Zu erleben sind sehr persönliche Geschichten von Sucht, die sich durch zahllose Fragmente Tag für Tag an allen möglichen Orten zeigen. Manchmal sind es nur Zigarettenkippen oder weggeworfene Alkoholflaschen, die auf das Thema hinweisen. Die Schüler haben diese Dinge künstlerisch bearbeitet.
Als die erste Lastwagen-Ladung für diesen Morgen ausgeladen ist, macht sich Günter Melnik wieder auf den Weg zum Sozialkaufhaus, um für Nachschub zu sorgen. Derweil schaut Willi Kemper vorbei. Dem Emsdettener gehört die Immobilie an der Kirchstraße. "Kommt Ihr klar oder braucht Ihr noch etwas", erkundigt er sich. Die 600 Quadratmeter große Immobilie hat er gern für die Pop-Up-Bar an den Caritasverband vermietet. Sein Blick schweift durch den Raum. "Leider, leider, ist das nur für zwei Wochen", sagt er und lächelt. Doch es ist eine Chance: Immerhin werden in den kommenden 14 Tagen bestimmt viele Emsdettener die Immobilie in einem neuen Licht sehen.