intensiver erleben. Möglich macht es eine neue Art der Pflegedokumentation, mit der die Mitarbeiterin des Caritasverbandes Emsdetten-Greven seit einigen Wochen arbeitet. „Früher hatte ich den Eindruck, ich schreibe alles so 08/15 auf. Heute erlebe ich viel individueller, was ich über jeden einzelnen Patienten vermerke“, sagt Sabine Krake. Sie und ihre Kollegen profitieren von einem Pilot-Projekt des Diözesancaritasverbandes Münster. Unter dem Titel „PraxSIS“ bringt es für Menschen in Pflegeberufen vor allem eines: eine schlankere Verwaltung und damit eine intensivere Art der Zuwendung.
Das lässt sich auch in Zahlen ausdrücken. Zählte eine Patientenakte im ambulanten Pflegedienst des Caritasverbandes Emsdetten-Greven bisher etwa 40 bis 60 Blätter, sind es heute nur noch 13. „Je nach Patient können bis zu vier weitere Blätter hinzukommen“, erläutert Jenny Kamp, stellvertretende Pflegedienstleitung der ambulanten Pflege. Dokumentierten Pflegefachkräfte bisher für jeden Mitarbeiter sämtliche Parameter von der Flüssigkeitsaufnahme bis zur Dekubitus-Gefahr, verzeichnen sie nun lediglich Abweichungen im Zustand der Patienten. Mit der vereinfachten Pflegedokumentation werden vor allem zwei Ziele verfolgt. „Zum einen ein Ende der Papierflut. Zum anderen, dass wir eine effektive Informationsweitergabe im Pflegedienst gewährleisten“, bringt es Ansgar Kaul, zuständiger Fachbereichsleiter des Caritasverbandes Emsdetten-Greven, auf den Punkt.
Ganz ohne Pflegedokumentation geht es nicht. Da sind sich alle Beteiligten einig. „Eine gute Dokumentation ist auch ein Qualitätsmerkmal in der Pflege“, ist Ansgar Kaul überzeugt. „Die Dokumentation dient als Arbeitsinstrument in erster Linie der Information“, ergänzt Jenny Kamp. Doch allzu überbordende Vorschriften brachten für die rund 45 Mitarbeitenden im ambulanten Pflegedienst zunehmend mehr Formulare und Tabellen mit sich.
Als Christa Müller ihre Arbeit als Krankenschwester aufgenommen hatte, war Pflegedokumentation noch Zukunftsmusik. Sie begrüßt, dass der Verwaltungsaufwand nun wieder abnimmt. „Das neue System ist viel näher an der beruflichen Realität“, sagt sie. Kollegin Katrin Rolf hat als Nachwuchskraft die Pflege-Dokumentation von der Pike auf gelernt. Die Reform erlebt sie dennoch als große Erleichterung. „Ich benötige heute vielleicht noch eine Stunde für das, wofür ich vorher deutlich mehr Zeit aufgewendet habe“, sagt sie. Die Pflegekräfte sind sich einig: Die Verschlankung der Verwaltung schafft neue Freiräume für den Umgang mit den Patienten.“
Fachbereichsleiter Ansgar Kaul sieht in der neuen Pflegedokumentation eine klare Aufwertung der Fachkompetenz jeder einzelnen Mitarbeiterin und jedes Mitarbeiters in der Pflege. „Die Pflegekraft muss viel stärker als bisher bewerten, wie sie den Patienten wahrnimmt und ob es Auffälligkeiten gibt“, sagt er. Jenny Kamp freut sich, dass die Fachkräfte der neuen Art der Dokumentation positiv gegenüber stehen. „Man betrachtet bei der täglichen Arbeit wieder viel stärker den einzelnen Menschen und nicht nur eine Skala“, sagt sie. Was für sie der größte Gewinn der Reform ist? „In der Pflege vor Ort ist eine andere zeitliche Taktung möglich, die einen intensiveren Umgang mit dem Patienten ermöglicht: Da zählt nicht die Zeit, sondern die Intensität.“
Zum Thema
Pilot-Projekt „PraxSIS“
„PraxSIS“ ist ein Pilot-Projekt der Caritas im Bistum Münster. Die Abkürzung steht für „Strukturierte Informationssammlung in der Praxis“. Es geht zurück auf einen Vorstoß des Bundesministeriums für Gesundheit. Die ehemalige Ombudsfrau zur Entbürokratisierung in der Pflege, Elisabeth Beikirch, und der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Staatssekretär Karl-Josef Laumann, haben in diesem Jahr bundesweit das neue Strukturmodell vorgestellt und damit den Prozess zur Verschlankung der Pflegedokumentation angestoßen. Innerhalb des Projektes werden die Mitarbeitenden in Sozialstationen und Altenheimen für ein neues Dokumentationssystem geschult. Der Diözesancaritasverband Münster treibt das Anliegen mit seinem Pilot-Projekt „PraxSIS“ intensiv voran und möchte bundesweit zum Vorreiter für eine entbürokratisierte Pflege werden.
Pflegedienstleitung und Pflegekräfte freuen sich gleichermaßen, dass die Patientenakten nun sehr viel schlanker sind: (v.l.) Sabine Krake, Christa Müller, Katarina Skopinzew, Ansgar Kaul, Ulrike Hampel, Jenny Kamp und Katrin Rolf.