Einen kritischen und äußerst erfrischenden Blick auf Innen- und Außenansichten von caritativer Arbeit warf das Kabarett-Projekt "Gemein & Nützlich" des Caritasverbandes Herten am Samstag im Bürgerhaus in Ibbenbüren. Der Erlös der Veranstaltung kommt unter anderem der Flüchtlingsarbeit in den Sozialkaufhäusern der katholischen Wohlfahrtsverbände im Kreis Steinfurt zugute.
Vor knapp 700 überwiegend haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern der Wohlfahrtsverbände im Kreis zeigten die 24 Akteure in einer spritzigen Satire-Show unter anderem, welche Möglichkeiten modernes Fundraising bietet („Deine Asche hilft“), wie sich männliche Mitarbeiter in Kindertagesstätten integrieren lassen, welche Konflikte die Zusammenarbeit von Sozialarbeitern und Betriebswirten unter dem Dach der Caritas birgt, welche Vorzüge der Einsatz attraktiver Priester bietet, wie einsam ein Caritas-Geschäftsführer wirklich ist, welches Grauen hinter dem Begriff Fusion lauert und wie es klingt, wenn die Geschäftsführer der katholischen Wohlfahrtsverbände im Kreis Steinfurt gemeinsam das Steiger-Lied gurgeln.
Hervorgegangen aus einem Laien-Stadt-Kabarett in Herten, sezieren die Akteure von „Gemein & Nützlich“ seit fünf Jahren die Arbeit von Caritas. Die Mitwirkenden verbindet ihr haupt- oder ehrenamtliches Engagement im Caritasverband Herten oder in den katholischen Kirchengemeinden ihrer Region. Allein Moderator Benedikt Hahn, der die Zuschauer durch den Abend begleitet und vom Leben im Sozialkaufhaus sein eigenes Liedchen singt, verfügt über eine schauspielerische Ausbildung. Wie nah die Akteure an den Themen der katholischen Sozialarbeit sind, beweisen sie in ihrem mehr als dreistündigen Programm Schlag auf Schlag.
Da ist zum Beispiel der Sozialarbeiter, der sich im katholischen Krankenhaus als Zunäher verdingt, weil er der Nähgruppe der Familienbildungsstätte nahe steht: „Eine Operation ist so ähnlich wie ein Gottesdienst: Alle stehen um einen Tisch herum und darauf liegt das Opfer.“ Er philosophiert darüber, wie sich betriebswirtschaftliches Handeln im Krankenhauswesen mit christlichen Grundsätzen vereinen lässt und stellt den neu entwickelten Katalog für Wahlleistungspatienten vor.
Eine echte sprachliche Höchstleistung vollzieht die Truppe, als Marcel Reich-Ranicki auf die Erde zurückkehrt, um über den kommunikativen Widerspruch innerhalb der Caritas zu schwadronieren. Dieser attestiert dem Wohlfahrtsverband, ein System göttlicher Vorsehung zu sein, zusammengehalten durch die beiden Anti-Pole der Sozialarbeiter und Betriebswirte. Während ersterer seine Rede erst durch plötzlichen Tod, Herzinfarkt, Schlaganfall oder das Fehlen weiterer Menschen im Raum beendet, stellt der Betriebswirt einem sozialen Problem ein gewisses Zeitbudget zur Verfügung, das ihm erlaubt, sich zu zeigen. Ist das Budget aber erschöpft, wird es eng.
Richtig bissig wird es, wenn der Männerchor um den Hertener Caritas-Geschäftsführer Matthias Müller von den großen und kleinen Flops im katholischen Wohlfahrtsverband mit deutschlandweit 570.000 Mitarbeitern singt. Schonungslos geht die Truppe zum Beispiel mit Defiziten im Arbeitsrecht („Frauen, Pech gehabt: Führungspositionen gibt es nicht in Teilzeit“) ins Gericht getreu dem Motto „Von Weitem sieht die Caritas ja ganz gut aus“.
Fröhlich wird es wieder, als sich alle Akteure gemeinsam mit dem „Helfer-Syndrom-Rock“ verabschieden: „Das mach ich alles für die Caritas. Denn Menschen retten, Du, das macht mir Spaß.“ Gastgeber Detlev Becker, Geschäftsführer des Caritasverbandes Tecklenburger Land, und Barbara Kurlemann, Geschäftsführerin des SkF in Ibbenbüren, können am Ende sicher sein: Ihre Gäste haben den Nerv des Publikums getroffen.
Bildunterschriften:
Zum Finale lud die Truppe von „Gemein & Nützlich“ mit dem „Helfer-Syndrom-Rock“ zum Mit-Swingen ein.
Lautstark und peppig sangen der Kopf der Truppe, Matthias Müller (l.) und seine Männer, vom allerletzten Zivi.
Warum ein Sozialarbeiter im christlichen Krankenhauswesen auch schon mal als Zunäher tätig wird, wusste dieser Zeitgenosse zu berichten.
Sehr zur Freude der Mitarbeiter gurgelten die Geschäftsführer das Steiger-Lied: hier zu sehen (v.l.) Ludger Schröer, Gregor Wortmann, Burkhard Baumann und Dieter Fühner.