Die Stadt Emsdetten fördert Medienkompetenz-Training an Schulen
Worte für das scheinbar Unaussprechliche finden
Emsdetten - Selbstbewusst und angstfrei, aber auch wachsam und achtsam: So wünschen sich Erziehende den Umgang ihrer Kinder mit den Herausforderungen der digitalen Wirklichkeit. Damit dies gelingt und sich die Einsicht verfestigt, dass nicht alles nur gut oder nur böse ist, was durch Internet und Soziale Medien in unsere alltägliche Erfahrungswelt tritt, hat im Jahr 2023 das Jugendamt ein erfahrenes Team des Caritasverbandes Emsdetten-Greven e.V. mit einem umfangreichen Medienkompetenz-Training an Emsdettener Schulen beauftragt.
Dieses wurde in den Folgejahren an den Grund- und weiterführenden Schulen wiederholt angeboten. Jetzt liegt die - durchaus auch wissenschaftlich nutzbare - Auswertung vor. Mit positiver Bilanz. Beeindruckende 234 Stunden haben Michèle Dornbusch von der Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern und Leon Fleiter aus dem Team der Suchtberatung dafür in unterschiedlichen Klassenräumen verbracht. Dabei haben sie nicht nur Kinder im Umgang mit Smartphone und Internet ertüchtigt, sondern auch Pädagogen und Eltern für das Thema sensibilisiert.
Bei dem Training handelt es sich um eine freiwillige Leistung der Stadt Emsdetten, die sich als Trägerin der Schulen in der Verantwortung sieht. "Die digitalen Herausforderungen begegnen Schülerinnen und Schülern ebenso, wie Eltern und Lehrpersonal buchstäblich tagtäglich", weiß Michael Loose vom Jugendamt und benennt das entscheidende Defizit: "sie finden aber zwischen Lehrplan und Noten oft zu wenig Raum."
Gemeinsam mit dem zwei Fachbereichen des Caritasverbandes, "Hilfen für Kinder, Jugendliche und Eltern" und "Sucht und Psychiatrie" deshalb ein Konzept erarbeitet. Dieses setzt in der Schule an, und zwar möglichst früh - in den dritten und sechsten Klassen. "Es geht nicht darum, Regeln oder Verbote durchzusetzen, sondern darum, eine Kommunikation zu über all das zu finden, was Kindern im Netz heute begegnet", betont Michèle Dornbusch, die bei der Familienberatung der Caritas auch als Sexualpädagogin tätig ist. Gut so, denn das Netz ist voll von Pornografie und Gewaltdarstellungen sowie fatal falschen Körper- und Rollenbildern. Die begegnen Kindern oft schon mit dem ersten Endgerät, das sie benutzen - oft schon im Grundschulalter. Wichtig ist dann, dass sie Mut und Worte finden, über das Gesehene und Erlebte im Netz zu reden, angstfrei und ohne falsche Scham.
Die zwei Unterrichtseinheiten (Doppelstunden) wirken wie eine "vertrauensbildende Maßnahme": Über spielerische Übungen arbeiten sich die Experten der Caritas in den Erfahrungsbereich der Kinder und das "Wording" der Netzwelt ein. "Wichtig ist, dass die Kinder ohne Angst vor Sanktionen über Erlebtes reden dürfen", betont Leon Fleiter. Denn oft, das wissen auch Nils Krabbe und Ingo Brokhues die Leitungen der jeweiligen Beratungsstellen, schweigen die Kinder aus Angst vor Computer- oder Handyverbot, sowie aus Furcht vor Einschränkung von Onlinezeit und Mediennutzung. Vor den externen Beratern der Caritas fällt es ihnen indes leichter offen zu reden. Sie werden im optimalen Fall zu dem, was Erwachsene generell für Kinder sein sollten: Verbündete, die auf ihrer Seite stehen.
Um über das Training hinaus im Gespräch zu bleiben, stimulieren die Experten der Caritas das Mitteilungsbedürfnis der Kinder und machen ihnen klar: Wenn ihnen etwas Verstörendes oder gar Verbotenes im Netz begegnet, sind sie nie selbst schuld daran. Im Gegenteil: Sie haben ein Recht darauf, sich mit Erwachsenen darüber auszutauschen, egal ob das Eltern, Lehrer, andere Vertrauenspersonen sind - oder eben die Fachleute von der Caritas.
Letztere verfügen durch ihre Ausbildung und Erfahrung mit Krisensituation über eine exzellente Expertise und garantieren zudem einen vertrauensvollen Umgang mit ohnehin schon belastenden Erlebnissen. Davon gibt es im weltweiten Datennetz und in Chaträumen mehr als genug: Von traumatischen Bildern bis hin zu üblen Nachstellungen, wie beispielsweise Mobbing durch Gleichaltrige, oder sexuell übergriffiges Verhalten von Nutzern, die ihre Herkunft zu verschleiern wissen.
Schützen können sich die Kinder am besten, indem sie Begriffe finden, um Erlebtes zu schildern. Das ist die wichtigste Voraussetzung, um eben auch angstfrei um Austausch und Hilfe zu bitten. Michèle Dornbusch und Leon Fleiter sehen sich deshalb weniger als Dozenten, denn als Lernende. Dornbusch: "Die Inhalte richten sich nach dem, was die Kinder schildern und dem, was die Erwachsenen wissen möchten. Das ändert sich so schnell, wie Apps, Online-Spiele, Chatportale und Netzwerke, gerade in Zeiten der Künstlichen Intelligenz mit ihren schier unendlichen Anwendungs-Möglichkeiten."
Wie schwierig es ist, mit den Eingriffen von digitalen Neuentwicklungen in unserem Alltag Schritt zu halten, zeigen die Rückmeldungen von Pädagogen und Eltern nach den Trainingsstunden. Auch sie müssen lernen, mit den wachsenden Herausforderungen der digitalen Welt umzugehen. Und das bedeutet vor allem, sie zu kennen und ohne Scham zu benennen. Das Medienkompetenz-Training - so ein wichtiges Ergebnis der Auswertung - hat ihnen in dieser Hinsicht enorm geholfen.
